Rückzugsbereich des Personals

cf: Kagoshima - Die Nakamura Klinik - Wohnbereich der Klinik - Tadashi Hiroshi's Zimmer

Der Weg von Hiros Zimmer bis hierher dauerte nicht sonderlich lang, sodass auch kein wirkliches Gespräch zustande kommen konnte. Alice war geschäftigt ihre Unterlagen noch einmal durchgegangen, dann waren sie vor der Tür des Personalbereichs angelangt. Die junge Frau blieb kurz stehen und meinte zu ihrem Assistenten: "Den Ort hier kennen Sie noch gar nicht. Das ist der Rückzugsbereich des Personals. Hier kann man seine Pausen verbringen. Aber schauen Sie am besten selbst."
Nach diesen Worten öffnete sie die Tür, trat ein, legte ihre Sachen auf den Tisch und ging zur Kaffeemaschine. "Wie trinken Sie Ihren Kaffee, Nagamine-san?" Sie holte zwei Tassen aus dem Schrank und stellte sie neben die Kaffeemaschine. "Sehen Sie sich ruhig um. Sie werden hier sicher auch einige Zeit verbringen. Ach und...", angestrengt wühlte sie in den Taschen ihres Kittels und brachte ihr Schlüsselbund zum Vorschein. "...normalerweise ist hier abgeschlossen. Da die Patienten keinen Zutritt haben. Hier ist Ihr Schlüssel.", sie hatte einen der Schlüssel vom Band gelöst und warf ihn ihm zu. "Natürlich werden Sie im Laufe der Zeit auch Schlüssel zu allen anderen Zimmern bekommen, aber da Sie sich ja erst einmal sowieso fast permanent in meiner Nähe aufhalten werden, ist das momentan ja noch nicht so wichtig."

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Auf dem kurzen Stück vom Zimmer des Patienten zum Personalzimmer folgte Yasuhiko stumm und gespannt Alice. Da er diesen Raum noch nicht kannte prägte er sich erst einmal den Weg ein damit er später auch allein hierher finden würde. Vor der Tür angekommen schloss nach ein paar kurzen worten Alice auch sogleich auf. Yasuhiko betrat das Zimmer und schaute sich erst einmal um. Doch es gab nichts besonderes zusehen. Es war so wie er es sich vorgestellt hatte sauber und schlicht aber praktisch eingerichtet. „Ich trinke ihn meist mit 4 Stück Würfelzucker“ antwortete Yasuhiko auf die frage der Oberärztin. Als nächstes bekam Yasu seinen eigenen Schlüssel für dieses Zimmer. Welchen er sofort in seine Hosen Tasche steckte. „Gab es schon einmal einen Vorfall mit einen Patienten oder wird dieser Raum nur wegen den Vorschriften abgeschlossen?“ Nach seiner Frage setzte sich Yasuhiko auf einen Stuhl der gleich in seiner nähe stand. Nun wartete er stumm auf seinen Kaffee da er nicht genau wusste über was er ein Gespräch hätte anfangen können. Ein wenig komisch kam er sich dabei schon vor. Seit er in der Klinik angekommen ist hatte er fast nie selber mal eine Frage gestellt oder selbst mal auf ein Thema angesprochen. Vielleicht liegt es daran das alles noch so neu ist rechtfertigte Yasuhiko sein verhalten in seinen Gedanken

Nach ein paar Minuten war der Kaffee fertig und Alice füllte die Tassen damit. In die eine warf sie die vier Stück Zucker für Yasuhiko, in die andere hingegen nur zwei. Außerdem goss sie in letztere einen Schluck Milch. Dann stellte sie ihm seine Tasse hin und setzte sich neben ihn.
"Nun...seit ich hier bin, nicht. Und ich kenne es auch nicht anders, als dass der Raum abgeschlossen wird. Denn dass es zwangsläufig zu Zwischenfällen käme, steht definitiv fest. Zum einen wäre da das Risiko des Diebstahls: Viele vom Personal bewahren ihre Wertgegenstände hier auf und da wir diverse Jugendliche mit Drogenproblemen hier haben, könnten diese dadurch schnell zu Straftaten verführt werden. Außerdem gibt es ja auch noch die akut suizidgefährdeten Patienten...", dieses -vor allem im Moment- sehr heikle Thema ließ sie für einen Moment den Faden verlieren. Abwesend starrte sie auf den Ring an ihrem Finger und drehte ihn leicht hin und her, wobei sie die Stirn gerunzelt hatte. Ihr Blick glitt zu ihrer Tasse, anschließend zu Yasuhiko. "Eh...was ich sagen wollte: Wir betreuen in der Klinik auch Jugendliche mit hoher Suizidalität, beziehungsweise auch selbstverletzendem Verhalten, wie Sie sicher wissen. Und hier finden sich viele Sachen, die man dafür benutzen könnte. Sie glauben ja gar nicht, wie erfinderisch diese Kinder sein können."
Jetzt griff sie nach ihrer Kaffeetasse und trank vorsichtig einen Schluck. Diese wieder abgestellt, strich sie sich ihr langes Haar über die linke Schulter und seufzte. In einem etwas leiseren Ton meinte sie schließlich: "Das Thema Suizid ist hier im Moment ziemlich heikel. Naja, ist es ohnehin, aber...in näherer Vergangenheit hatten wir ungewöhnlich viele Fälle und das, obwohl wir stets sehr bemüht sind, die Patienten keinen Gefahren auszusetzen.", nun fuhr sie sich mit beiden Händen übers Gesicht und murmelte noch etwas. "Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, mir wächst das alles hier über den Kopf. Ich liebe zwar meinen Job, aber das Wissen, dass junge Menschen sich umgebracht haben und man es vielleicht hätte verhindern können, wenn man nur aufmerksamer gewesen wäre...", für einen Moment schwieg sie, dann ging ein Ruck durch ihren Körper und sie löste die Hände vom Gesicht. "Entschuldigen Sie bitte. Ich habe mich gehen lassen.", wieder griff sie nach ihrer Tasse und trank hastig einen Schluck. "Was ich Ihnen damit sagen will: Stellen Sie sich darauf ein, dass das hier alles andere als ein Zuckerschlecken für ihre Psyche wird. Diese Kinder sind schwer krank und ihre Geschichten eigentlich in neun von zehn Fällen schrecklich. Oftmals ist es schwer, ihr Handeln nachzuvollziehen. Lassen Sie sich bitte nicht zu sehr persönlich davon angreifen. Und machen Sie sich möglichst bald Gedanken darüber, ob das hier wirklich das ist, was Sie berufstechnisch machen wollen. Denn ein 'normales' Privatleben ist quasi unmöglich. Sie nehmen die Geschichten dieser Kinder in sich auf und tragen sie mit nach Hause und auch sonst überall hin, das garantiere ich Ihnen."
Zwar steckte in Alices Worten die Wahrheit und es mochte auch professionell wirken, was sie sagte, aber in gewisser Weise war es ein unfaires Mittel: Sie hatte sich nämlich Nagamines Lebenslauf durchgelesen und darin erschreckend viele Parallelen zu sich selbst entdeckt. Er war ebenfalls strebsam und diszipliniert; alles andere als Durchschnitt. Und ja, sie fühlte sich bedroht. Denn als sie hier angefangen hatte, war sie sogar noch ein wenig älter gewesen als er.
Wobei die Art, in der sie momentan vorging, recht zurückhaltend war. Ihre Krallen wirklich ausgefahren hatte sie noch nicht. Denn irgendwie mochte sie Yasuhiko. Obwohl sie ihn als Konkurrenten fürchtete.

Als die Oberärztin neben ihn saß nahm er auch gleich seine Tasse in die Hand und trank einen Schluck aus ihr.
Dann fing Alice auch gleich an auf seine Frage zu antworten. Doch in ihrer Stimme und ihrem verhalten merkte er das bei der Oberärztin diese Frage etwas ausgelöst hatte. Und er fragte sich ob es richtig war nach zu fragen. Doch im selben Augenblick wusste er das diese Frage seien musste da er ja selbst hier für längere Zeit am Klinik leben teilnehmen würde. Und dadurch ein recht darauf habe zu erfahren was und warum hier geschieht.
Dann kam Alice Pause. Hier beobachtete Yasuhiko sie genau und merkte sofort das er recht mit seiner Vermutung hatte das es ein schweres Thema für die Oberärztin sei. Als Yasuhiko dann die vollständige Antwort auf seine Frage gehört hatte fragte er sich warum er darauf nicht selbst gekommen ist. Und nun war ihn auch klar geworden das es wichtig sei, wenn er zu den Patienten ging, nur das nötigste und keine gefährlichen Dinge in seinen Taschen dabei zu haben. Die ganze Zeit als Alice über die Patienten und ihre Geschehnisse hier in der Klinik erzählte musste Yasuhiko an seinen Anhänger am Arm spielen. Bei so einen Thema musste er immer an seine Mutter denken. Ihm war klar das es ihm hier nicht wie in einer normalen Arztpraxis ergehen würde. Trotzdem war er Alice dankbar für ihren rat und nahm ihn auch zu Herzen. Doch er wusste das dies hier doch genau das sei wovon er seit seine Mutter nicht mehr für ihn da sein konnte geträumt hatte. Er will vom ganzen Herzen den Menschen helfen das sie ihren Sinn im Leben wieder finden und ihre Probleme bewältigen können. Nun trank Yasuhiko noch einen Schluck aus seiner Tasse und wandte sich dann sofort zu Alice um ihr zu antworten. „Ich kann ihre bedenken verstehen und bin ihnen auch dankbar für ihren Rat. Doch wissen sie Frau Oberärztin, ich hatte dieser stelle hier nicht zugesagt des Geldes wegen oder weil ich dachte es sei ein einfacher Job der mich vielleicht in meiner Karriere weiter bringen würde. Sie wissen bestimmt was damals mit meiner Mutter passiert ist. Da es ja in meinem Lebenslauf stand. Und damals habe ich mir als kleiner junge geschworen das ich wenn ich einmal erwachsen bin den Menschen die nicht mehr wissen wie es weiter gehen soll oder durch ihre Psychischen Besonderheiten Probleme dabei haben sich in die Gesellschaft zu integrieren. Ja, das ich genau diesen Menschen helfen werde. Damit ihnen nicht das selbe Schicksal wie meiner Mutter zuteil wird. Und in meiner Jugend hatte ich immer dieses Ziel vor meinen Augen . Ich wusste immer das es dass richtige sei.“ Nun merkte Yasuhiko das er mal wieder zuviel redete statt einfach eine kurze und direkte Antwort zugeben. Doch er hoffte das die Menschen darüber seine Entscheidung besser verstehen können. Doch wenn Yasuhiko mal zurück dachte merkte er das es meist eher als überflüssig bewertet wurde.“Ahh es tut mir Leid das ich so abgetrieben bin. Nun was ich damit sagen wollte war das ich mir darüber schon bevor ich zugesagt hatte mir Gedanken gemacht hatte. Und zu den Entschluss gekommen bin das es genau das richtige für mich ist und das ich mit den Konsequenzen leben kann und will.“ nun lächelte Yasuhiko Alice an und fügte noch hinzu „ Und ich würde mich über eine gute zusammen Arbeit sehr freuen und hoffe sie werden mit meiner Leistung zufrieden sein.“

Während Nagamine von seinen Beweggründen, die Stelle anzunehmen und seiner Vergangenheit erzählte, trank Alice noch etwas von ihrem Kaffee. Die meisten Menschen hätten es wohl einfach nur als edles Motiv angesehen, die Oberärztin jedoch fragte sich, ob ihr neuer Assistent versuchte, so das Geschehene zu verarbeiten. Nein, eigentlich war sie sich ziemlich sicher, dass dem so war. Aber an sich war es auch egal. Solange er gute Arbeit leistete, war alles andere nebensächlich.
Die junge Frau setzte ihre Tasse wieder auf der Tischplatte ab und Yasuhiko entschuldigte sich für die Ausschweifungen, doch Alice winkte ab. "Schon gut. Ist kein Problem. Es ist angenehm, dass Sie so offen damit umgehen mir gegenüber...ich meine...es ist ja schließlich etwas sehr intimes.", ihr Blick glitt zum Fenster. "Auch wenn Sie sehr von der Sache überzeugt zu sein scheinen: Behalten Sie meine Worte bitte im Hinterkopf. Denn noch kennen Sie den Alltag und die Belastungen hier nicht.", jetzt schaute sie wieder ihn an. "Aber auch ich hoffe auf gute Zusammenarbeit. Was mich direkt zu einer Frage führt: Was meinen Sie, warum ich Hiro auf sein Buch angesprochen habe?"
Sie war gespannt, was er antworten würde. Doch da er ziemlich intelligent zu sein schien, würde er vermutlich richtig tippen. Es war an sich ja auch eine sehr einfach Übung gewesen. Die aber trotzdem von großer Wichtigkeit war.